21 Okt
2011
Veröffentlicht in: Quelle
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Die Finanzakte des Mufti

Über die Zahlungen der Nazis an den Mufti sind in den Archiven nur noch wenige Dokumente zu finden. Eines der wichtigsten ist eine eidesstattliche Erklärung von Carl Rakowski, einem ehemaligen Konsul im Auswärtigen Amt. Nach Rücksprache mit seiner früheren Sekretärin, die über „Sonderkonten“ Buch führte, erinnert sich Rakowski in einem Protokoll vom 5. Oktober 1947 an folgende „abgerundete“ monatliche Zahlungen aus dem „Sonderfond des Reichsaussenministers von Ribbentrop

Zu der Auflistung gibt Rakowski dann auch noch folgende Erklärungen ab: „Über die Verwendung der unter 1) und 1a) ausgeworfenen Betrages für den Privatunterhalt wurde Rechenschaft nicht abgelegt, auch wenn, wie es verschiedentlich der Fall gewesen ist, dieser Betrag nicht ausreichte (der Betrag war, soweit ich erinnere, ursprünglich 30 000 Mark) und wurde ohne Begründung eine Mehrforderung erhoben und dieser auch stattgegeben.

Zu Punkt 6 der Auflistung:
„Der Großmufti war allwöchentlich ein bis zwei Tage in Berlin und bewohnte eine Suite im Hotel Adlon. Verpflegung für diese Zeit wurde im Hotel vom Auswärtigen Amt zu Verfügung gestellt.“

Und zu Punkt 9 der Auflistung:
„Das Jüdische Institut Klopstockstraße war eine Einrichtung des Großmuft, über die längere Zeit mit dem Auswärtigen Amt verhandelt worden ist und dem Wunsch des Großmufti hat das Auswärtige Amt erst nach erheblichen Drängen seitens desselben stattgegeben.“
In der Klopstockstraße hatte sich Amin el-Husseini wohnlich niedergelassen. Für die Einrichtung des „arisierten“ Hauses bekam er 3 000 Reichsmark.
75 000 Reichsmark jeden Monat. Davon 25 000 Reichsmark in (den damals so begehrten) Devisen! Doch es kommt noch dicker:
In einer weiteren Auflistung Rakowski über monatliche Zahlungen aus dem Sonderfond Ribbentropp an andere für das Dritte Reich wichtige Personen aus dem arabischen Raum taucht unter Punkt 9 ein Posten von monatlich 150 000 (!) Reichsmark an „ca. 150 arab. Studenten, Paris“ auf. Als „Unterhalt in Devisen“.

Und erst, wenn man auch dazu die Anmerkung Rakowski liest, lässt sich erahnen, in welche Taschen diese für die damalige Zeit ungeheuren Summen geflossen sind:
„Einzelne Namen der Studenten, ebenso die genaue Zahl sind weder mir noch dem Auswärtigen Amt jemals bekannt gewesen. Die Zahl schwankte zwischen 125 und 150, die eine monatliche Unterstützung erhielten. Die Ausgabe und Festlegung der einzelnen Beträge erfolgte durch den Großmufti, dem der Gesamtbetrag zur Verfügung gestellt wurde.“

Nach überschlägigen Schätzungen hat der Großmufti allein auf Basis der überhaupt noch vorhandenen Finanzunterlagen von den Nazis mindesten 20 Millionen Reichsmark kassiert. Davon einen Großteil in Devisen, also Dollars, Pfund, Schweizer Frankenen und auch Gold. Eine für die damalige Zeit immense Summe.
Rein rechnerisch geht man davon aus, das eine Reichsmark heute 3.5 Euro entsprächen. Darin allerdings nicht eingerechnet die Kaufkraft:
Für 75 000 Reichsmark zum Beispiel konnte man sich damals in Deutschland ein Haus bauen, das heute ungefähr 600.000 Euro wert wäre. Das durchschnittliche Brutto-Jahreseinkommen eines deutschen Arbeitnehmers lag 1944 bei knapp 2.300 Reichsmark – das Jahresgehalt von Heinrich Himmler bei 250.000 Reichsmark.